Warum gibt es diesen Blog?

Darauf gibt es ein paar Antworten: seit Oktober 2008 führe ich meinen Blog „My New Life In Canada“. Nachdem ich da hin und wieder Einträge über mein Leben in Paraguay eingestellt habe, bekam ich viele Mails, Kommentare und Telefonate mit der Bitte, weitere Beiträge über diese Zeit zu schreiben.

Obwohl es genauso mit meinem Leben zu hat, passt es aber nicht unbedingt zwischen die Berichte von meiner neuen und jetzigen Zeit in Kanada.

Dazu kommt, dass aus dieser schicksalhaften Zeit der Einwanderer in Paraguay von Anfang 1900, sehr wenig niedergeschrieben wurde. Die Älteren, die es miterlebt haben, sind leider schon verstorben.

Doch mein wichtigster Beweggrund für diesen Blog ist, das Erlebte von damals an meine Kinder und Enkel weiterzugeben. Sollten sie irgendwann wissen wollen, wie es damals war, müssen sie sich keine Vorwürfe machen, den Zeitpunkt danach zu fragen, verpasst zu haben.

Genau das ist mir passiert. Als ich jung war, interessierte es mich nicht. Ich fand die Geschichten aus der alten Heimat und die des neuen Aufbaus in Südamerika langweilig und nervig.

Ich war Kind und wollte Kind sein. Als ich erwachsen wurde, hatte ich meine eigenen Träume und Verrücktheiten im Kopf. Dann hatte ich mein eigenes Leben und meine eigene Familie.

Später wollte ich es wissen, doch die Großeltern waren längst verstorben, mein Vater auch und meine Mutter war von mir zu weit entfernt.

Bestimmt habe ich im Leben viele Fehler gemacht. Anstatt darüber zu jammern, betrachte ich es als eine Lehre und versuche, es in Zukunft besser zu machen.

Doch würde mir das Schicksal einen einzigen Tag meiner Jugend zurückgeben, würde ich ihn mit meinem Großvater „Opa Dreyer“ verbringen und ihm pausenlos Löcher in den Bauch fragen!

Diesen Blog widme ich meinen Kindern

Sonja A. McGill und Stephen J. Bennett.


„Ein niedergeschriebenes Wort, wird durch seine Veröffentlichung zu einem eigenen Leben erweckt“.

Montag, 2. April 2012

Hühner fühlen

Die Überzahl meiner Leser, wissen bestimmt nichts mit dem Titel anzufangen. Für uns Kinder, damals in Paraguay, bedeutete es „nur“ eine weitere tägliche Aufgabe; Die Hühner am frühen Morgen zu befühlen, ob sie an diesem Tag ein Ei legen oder nicht.
Glaubt bloß nicht, das wäre so einfach wie z.B. bei einer Brustkrebsvorsorgeabtastung, oder so ähnlich.
Wieso, warum und überhaupt… ich sollte von vorne anfangen!
Also, damals in Paraguay, als wir noch kleine Kinder waren, auch schon davor und auch danach, hatte jeder Kolonist seine Hühner.
Es gehörte dazu, wie Kühe, Schweine, Enten, Gänse, etc., etc.… außerdem, war alles nötig fürs Überleben! Auch die Eier!
Wir hatten immer so zwischen 100 und 150 vom besagten Federvieh. 
Dazu einen passenden Hühnerstall. Halb gemauert, halb Maschendraht und mit Schindeln bedacht.
Der Stall diente als Schutz für die Hühner und gleichzeitig als Legegelegenheit.
Schutz vor Wind und Wetter, aber auch vor Füchsen (Vierbeiner und Zweibeiner). Dann waren da auch noch die Beutelratten, die vampirisch gern das Blut eines Huhnes soffen.
Beutelratten sind Nachtaktiv und am Gegacker der Hühner, konnte man die Gefahr heraushören und bewaffnet zum Stall eilen. Mal haben wir gewonnen, mal die Blutsauger!
Waren es die letzteren, lag das Huhn am nächsten Morgen kreidebleich bis tief-Tod am Boden. Ein gesundes Huhn das so vom Tod überrascht wurde, war natürlich nicht essbar, aber wunderbar um eine Fuchsfalle auf zu stellen. Füchse mögen nur gesunde Tiere.
Das ein Huhn Eier legt ist ja allbekannt, genauso braucht es Futter. Es gab damals noch nicht „Fertigfutter zum kaufen“. Wir fütterten unsere Hühner hauptsächlich mit Mais, Maniok, Bohnen und Abfällen. Daher war es umso wichtiger, dass die Hühner freiem Lauf bekamen, um sich draußen einiges an Grünzeug und Insekten, für ihren notwendigen Vitaminen, Mineralien, etc.,  zu sammeln.
Was wiederrum einen Hagen hatte. Lies man alle Hühner früh morgens raus, legten mindestens 90% ihre Eier in selbstgefundene/gemachte Nester. Resultat; bevor wir die Eier finden konnten, taten es schon die Eidechsen, 
Füchse und andere Diebe.
Deshalb mussten alle Hühner (ca. ein Drittel), die an demselben Tag ein Ei legen würden, im Stall bleiben, bis sie es so gegen die Mittagszeit, ihr kleines Wunder vollbracht haben.
Nur… wie weiß man, welches Huhn ein Ei am gleichen Tag legt?
Ganz einfach… man fühlt sie!
Und so ging es; Der Hühnerstall war in drei Abteilungen geteilt. Ein großer Raum mit Hühnerleiter und Hühnerstangen zum schlafen. Einen mittelgroßen und langgezogenen Raum, in dem eine ganze Wand mit Kästen als Legenester bestückt war. 
Wir Kinder mussten immer dafür sorgen, dass auch genug weiches Laub und Stroh drin lag, 
damit die Eier nicht kaputtknacksten beim Aufprall.
Der dritte Raum war sehr klein und hatte eine Klappe zum Legeraum und eine nach draußen. Hier wurden bei Morgengrauen alle Hühner hineingetrieben mehr oder weniger aufeinander.
 Geschrei, Gegacker, Geflatter, Gestaube… bäää! 
HHL = Hühner High Life!
Die Aufgabe „Hühnerfühlen“ wurde hauptsächlich von uns Kindern ausgeführt. Am ärgsten betroffen war Manfredo und ich. Manchmal war auch Muttern oder Oma dran, und von uns Kindern zum fangen assistiert.
Die allerwenigsten der Angestellten wurden damit beauftragt.
 Sie haben sich schlicht geweigert.
Meistens haben wir zu zweit diese Arbeit erledigt; Zuerst wurden die Hähne gefangen und rausgeschmissen, denn die verursachten den größten Lärm und fühlten sich unheimlich wichtig. (Wie im richtigen Leben eben…) Dann fing einer ein Huhn und reichte es den „Hühnerfühler/in“, diese Person wiederrum packte das Huhn an den Pfoten, Kopf nach unten und klemmte gleichzeitig die Spitzen der Flügel mit in die Beine haltende Hand ein, um unnötiges Geflatter zu vermeiden. Mit dem freiem Zeigefinger der anderen Hand mussten wir im Hühnerpopo stechen, stießen wir gegen was Hartem, war das Huhn an diesem Tag schwanger, bzw. ein Ei war angesagt… stießen wir ins Weiche, 
war der Test negativ und es gab kein Ei…!
Im Grunde waren wir wir keine "Hühnerfühler", sondern eher "Höhlenforscher"!
Hin und wieder kam es auch vor, das „Etwas“ auf uns stieß, bevor wir Hand an legen Finger einlegen konnten…
Eeh… nix Gummihandschuhe, gab‘s doch nicht!
Anschließend wurden die Hühner durch eine Lücke ordnungsgemäß, 
entweder in die Freiheit geschickt oder im Legeraum.
Die Eier-Hühner mussten gezählt werden, so konnten wir ein paar Stunden später die Eier einsammeln und zählen… übereinstimmte die Zahl, durften die Hühner raus… war es noch nicht der Fall, mussten sie noch eine Weile bleiben, bis schließlich alle Eier gelegt waren.
Oft kam es dazu, dass nochmal alle Legehühner durchgefühlt wurden, um sie zum 2. Mal auszusortieren.
Tschja... Heut zu Tage jammern die Kinder und Jugendlichen, 
wenn sie mal den Müll rausbringen müssen…
Trotzdem, war es dann doch so schön, wenn wiedermal so zwanzig kleine Küken unter einer Glucke, aus ihren Eiern schlüpften.
Es war so aufregend wenn sich der Tag im Kalender näherte, der von unserer Mutter mit 5-6 Küken Köpfe gekennzeichnet wurde.
Genauso aufregend war die Erwartung, welche Farbe die kleinen Piepser wohl haben. Unser Hühnerbestand war aus alle möglichen Rassen zusammengemischt, was wiederrum für ein Buntes Kükennest und allgemeines Bild sorgte.
Als ich dann so 13-14 war und Muttern mit dem neuem Lei-Ei Cati zurück aufs Land zog, 
fingen die Eltern eine richtige Hühnerzucht an.
Sie kauften „fertige Küken“ in der Stadt… alle weiß und ganz ohne Glucke. Aber vor allem gab es „Balanceado“, Ausbalanciertes Fertighühnerfutter. Da mussten nur die 25Kg Säcke im Schuppen getragen werden.
Auch ein Huhn schlachten, gehörte zum Alltag. Schon als Kind habe ich es gelernt, aber nie getötet! Das konnte ich auch nicht. Das musste ein Anderer für mich erledigen. Aber, angefangen von Federn rupfen, Ausnehmen und zubereiten, machte ich allein. Es war auch kein Hexenwerk.
Dann eher schon das hypnotisieren, ja lacht nur… 
ich konnte und kann jedes Huhn hypnotisieren!
Und das am heller lichten Tag!
Jetzt könnt ihr natürlich behaupten, das Ganze sei ein Aprilscherz, dem ist aber nicht so! Aus diesem Grunde, habe ich auf den 2. April gewartet um diesen Post zu veröffentlichen. Zweitens, hier ist ein Foto mit ein von mir hypnotisiertem Huhn! Es liegt am Boden, Beine ausgestreckt, Augen offen und läuft nicht weg! Erst wenn ich es „freigebe“ oder wecke.

Na dann, frohe Osterzeit und liebe Grüße!